Von damals bis heute:
Eine wechselvolle Geschichte
Die Industrialisierung erschütterte das Handwerk in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Daraus wuchs die Überzeugung, dass man sich organisieren müsse. 1897 ließ Kaiser Wilhelm II. in der neuen Reichsgewerbeordnung festschreiben: „Zur Vertretung der Interessen des Handwerks ihres Bezirkes sind Handwerkskammern zu errichten.“
Wenig später gründete man diese Handwerkskammern überall im gesamten Land.
1900
Ab jetzt gemeinsam
In Magdeburg erfolgte die Gründung der Handwerkskammer am 20. April 1900. Zum Gründungsakt kamen 40 Handwerker als Vertreter der Innungen ins Regierungsgebäude am Domplatz 3/4 (heute Sitz des Justizministeriums). Es gab 1900 etwa 18.000 Handwerksbetriebe im Kammerbezirk Magdeburg.
1908
Nachweis des Könnens
Nach der Aufhebung der Zünfte 1862 galt Gewerbefreiheit. Wer ein Handwerk zu beherrschen glaubte, durfte es ausüben. Damit sank das Ansehen der handwerklichen Berufe. Um diese Entwicklung zu stoppen, wurde ab 1908 der „Kleine Befähigungsnachweis“ eingeführt.
Er schrieb vor, dass man nur mit Meistertitel Lehrlinge im Handwerk ausbilden darf. Die Zahl der Anmeldung zur Meisterprüfung bei den Handwerkskammern nahm zu. Ab 1913 musste man für die Zulassung zur Meisterprüfung eine erfolgreich bestandene Gesellenprüfung vorweisen.
1913
Erholung in Wernigerode
1914
Schwere Zeiten
1926
Ein neues Kammergebäude
1929
Handwerk in der Krise
Im Februar 1929 bekam die Handwerkskammer ein Instrument, mit dem sich zweifelsfrei belegen ließ, wer Handwerker ist und wer nicht: die Handwerksrolle. Hier trugen sich ab sofort selbständige Handwerker ein und erhielten das Recht, an der direkten Wahl der Kammer-Vollversammlung teilzunehmen. Der Ausbruch der Weltwirtschaftskrise im selben Jahr hatte schwerwiegende Folgen. Aufgrund von Arbeitslosigkeit und schwindender Kaufkraft blieben Aufträge für Handwerker aus, die Außenstände stiegen, viele Betriebe gingen in Konkurs.
1933
Gleichschaltung
Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 wurde die Gleichschaltung des Handwerks und der Handwerkskammern vorangetrieben. Sie verlief in Magdeburg weitgehend widerstandslos. Die Vorstände wurden mehrheitlich mit NSDAP-Mitgliedern besetzt. Das galt auch für die Posten der Innungsobermeister. Durch eine neue Rechtsverordnung wurde es außerdem für alle in der Handwerksrolle eingetragenen Gewerbetreibenden zur Pflicht, Mitglied der zuständigen Innung zu sein.
1939 – 1945
Kriegswirtschaft
In den Vorkriegsjahren wurden etwa 10 Prozent der Handwerksbetriebe im Kammerbezirk Magdeburg stillgelegt. Die Nationalsozialisten brauchten Arbeitskräfte für die Rüstungsindustrie. Die Kammer unterstützte die Stilllegung der Betriebe. Mit Jahresbeginn 1943 hörte die Handwerks-kammer Magdeburg formal zu existieren auf. Sie wurde mit der Industrie- und Handelskammer zur Gauwirtschaftskammer Magdeburg-Anhalt vereinigt.
1935
Neues Handwerksrecht
Die Einführung des „Großen Befähigungsnachweises“ wurde von Handwerkern und Handwerkskammern begeistert aufgenommen. Nunmehr war der Meisterbrief nicht nur für die Lehrlingsausbildung erforderlich, sondern war die verbindliche Voraussetzung zum selbständigen Führen eines Handwerksunternehmens. Der Preis für die Zugeständnisse: Die Abschaffung demokratischer Selbstverwaltungsrechte und die Unterordnung unter die Ziele des NS-Staates.
1954
Handwerker setzen ein Zeichen
Mitte der 1950er Jahre setzte die Handwerkskammer Magdeburg ein großes Projekt um: Durch freiwillige Arbeitsleistungen und Spenden der Handwerker entstand das „Haus des Handwerks“. Die Ruine in der Gareisstraße 10 verwandelte sich in ein Kulturhaus für die Handwerker des Bezirks. Es gab einen großen Saal, ein Restaurant, Schulungsräume und Hotelzimmer. Prominente Gäste wie Chruschtschow, Ulbricht, Titow und Täve Schur wurden hier empfangen. 1992 verkaufte die Handwerkskammer das Haus an einen Investor, 2009 erwarb sie es zurück.
1953
Der Neubeginn
Zunächst wurde nach Kriegsende 1947 die Landeshandwerkskammer Sachsen-Anhalt gegründet. 1953 löste die DDR die Landeshandwerkskammern auf und bildete stattdessen die Handwerkskammern der Bezirke. Domizil der Magdeburger Kammer war eine Villa in der Humboldtstraße 16. Die Aufsicht über die Kammer hatte der Rat des Bezirkes, eine Selbstverwaltung gab es nicht. Die Berufsausbildung, Gesellen- und Meisterprüfungen waren nun dem Volksbildungsministerium unterstellt. Mitglieder der Kammer waren private Handwerker und von Jahr zu Jahr zunehmend mehr Produtionsgenossenschaften des Handwerks (PGH).
1963
Sportliche Kollegen
Die Kammer organisierte den Feriendienst und hatte die Aufgabe, „die allseitige körperliche und geistige Bildung ihrer Mitglieder“ zu fördern. Deshalb gründete man am 19. März 1963 die Sportgemeinschaft Handwerk Magdeburg mit Angeboten im Fußball, Tischtennis und Kegeln.
1972
Verstaatlichung des Handwerks
Bei der letzten großen Verstaatlichungswelle der DDR verloren viele erfolgreiche Handwerksbetriebe ihre Selbständigkeit, sie wurden Volkseigene Betriebe (VEB). Im Bezirk Magdeburg waren 105 Produktionsgenossenschaften des Handwerks (PGH) betroffen. Das sorgte für Unruhe und Unmut. Im Statut aus dem Jahr 1973 wurde festgeschrieben, dass die Handwerkskammern „aktive politisch-ideologische Arbeit“ zu leisten haben, damit die Planaufgaben erfüllt werden.
1976
Kurswechsel der Regierung
Die DDR-Regierung änderte notgedrungen ihren Kurs und beschloss 1976 einige Maßnahmen, die das Handwerk fördern sollten. Man wollte damit die Bevölkerung beruhigen, aus der zunehmend Klagen wegen der Versorgungslücken bei Reparatur- und Dienstleistungen laut wurden. Der Staat förderte es nun, wenn sich Handwerksmeister selbständig machen wollten, gewährte finanzielle Starthilfen und steuerliche Erleichterungen für handwerkliche Kleinstbetriebe.
1990
Aufbruch und Umbruch
Im Zuge der Wiedervereinigung wurde auch das deutsche Handwerk wieder vereint. Die Magde-
burger Handwerkskammer bekam für die Umstrukturierung Starthilfe durch die Partnerkammer aus Braunschweig. So gab es unter anderem Infoveranstaltungen, Fachlehrgänge und Seminare zur Existenzgründung für Handwerker aus dem Bezirk Magdeburg. Für sie erfüllte sich ein langgehegter Wunsch: Sie waren wieder selbst verantwortlich für die Ausbildung des Nachwuchses. Die Handwerkskammer Magdeburg verfügte nun erstmals wieder über eigene Ausbildungs- und Prüfungsordnungen. Die Innungen bildeten ab 1991 Prüfungsausschüsse.
1997
Fortbildung gesichert
Um die überbetriebliche Aus- und Weiterbindung von Lehrlingen, Gesellen und Meistern zu gewährleisten, beschloss die Handwerkskammer Magdeburg den Bau eines eigenen Berufsbildungszentrums (BBZ). Es wurde am 16. Mai 1997 eröffnet. Bis heute werden an diesem Standort im Magdeburger Stadtteil Lemsdorf Fachkräfte fürs Handwerk aus- und weitergebildet. Zum BBZ gehören Werkstätten und Labore, Unterrichtsräume, Internat und Mensa.
2012
Umzug ins Haus des Handwerks
Die Handwerkskammer Magdeburg kaufte 2009 das „Haus des Handwerks“ zurück, ließ das imposante Gebäude in der Gareisstraße 10 aufwändig sanieren, erweitern und zum Verwaltungssitz umbauen. Am 16. November 2012 konnte es feierlich eröffnet werden. Heute gibt es in der Villa, die um 1900 im Stil des Historismus als repräsentatives Wohnhaus errichtet worden war, und im modernen Anbau Büros, Besprechungs- und Veranstaltungsräume.
2020
Beratung in der Krise
Die Corona-Pandemie stellte auch das Handwerk vor große Herausforderungen. Viele Betriebe befanden sich in einer angespannten Situation, verzeichneten Umsatzrückgänge und benötigten Wirtschaftshilfen. Die Handwerkskammer Magdeburg fokussierte das Beratungs- und Serviceangebot auf das Krisenmanagement und informierte ratsuchende Betriebe zum Beispiel über Hilfsprogramme, Kurzarbeitergeld und arbeitsrechtliche Fragen.
2025
Festakt zum Jubiläum
Die Handwerkskammer Magdeburg feiert ihr 125-jähriges Bestehen mit einem Ehrenamtsempfang am 12. Mai 2025 gemeinsam mit der Handwerkskammer Halle in der Staatskanzlei Sachsen-Anhalt. Der Blick in die Geschichte zeigt, dass die Handwerkskammer wechselvolle Zeiten überstanden hat. Das macht Mut, die Herausforderungen der Gegenwart zuversichtlich anzupacken und die Handwerksbetriebe weiterhin mit ganzer Kraft zu unterstützen.
Wussten Sie schon?
18.000 Betriebe
im Gründungsjahr
17.000
Ausbildungsverträge
26% der Inhaber
sind über 60 Jahre
Unsere Präsidenten und Hauptgeschäftsführer
Von der Gründung bis heute
Zeitraum | Name | Beruf | Position |
---|---|---|---|
1900 – 1907 | Wilhelm Schöckel | Maurermeister | Präsident der Handwerkskammer Magdeburg |
1907 – 1924 | Wilhelm Pfannkook | Böttchermeister | Präsident der Handwerkskammer Magdeburg |
1924 – 1933 | Emil Pflugmacher | Bäckermeister | Präsident der Handwerkskammer Magdeburg |
1933 – 1940 | Willi Heinecke | Goldschmiedemeister | Präsident der Handwerkskammer Magdeburg |
1940 – 1945 | Franz Fischer | Tapezierermeister | Präsident der Handwerkskammer Magdeburg |
1946 – 1950 | Fritz Jungmann | Ökonom | Präsident der Landeshandwerkskammer Sachsen-Anhalt |
1950 – 1953 | Franz Hollmann | Tischlermeister | Präsident der Landeshandwerkskammer Sachsen-Anhalt |
1953 – 1973 | Manfred Fein | Klempnermeister | Vorsitzender der Handwerkskammer des Bezirks Magdeburg |
1973 – 1989 | Gerhard Meyer | Maschinenbauingenieur | Vorsitzender der Handwerkskammer des Bezirks Magdeburg |
1990 – 2000 | Carl Friedrich Ullrich | Konditormeister | Präsident der Handwerkskammer Magdeburg |
2001 – 2007 | Klaus Medoch | Schlossermeister | Präsident der Handwerkskammer Magdeburg |
2008 – 2012 | Werner Vesterling | Elektromeister | Präsident der Handwerkskammer Magdeburg |
2013 – 2023 | Hagen Mauer | Metallbauermeister | Präsident der Handwerkskammer Magdeburg |
seit Okt. 2023 | Andreas Dieckmann | Raumausstattermeister, Architekt M.Sc. | Präsident der Handwerkskammer Magdeburg |
1992 – 2008 | Christa Knoblauch | - | Hauptgeschäftsführerin der Handwerkskammer Magdeburg |
2009 – 2012 | Marianne Lehn | - | Hauptgeschäftsführerin der Handwerkskammer Magdeburg |
Seit 2012 | Burghard Grupe | - | Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Magdeburg |